Entschädigung für NS-Opfer
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Die Opferverbände
Das Opferfürsorgegesetz
# Rückstellungen
Nach dem Staatsvertrag
Sozialversicherungsrecht
Seit den 1980er Jahren
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Bis 1946 bestanden überhaupt keine klaren Vorstellungen, ob und wie das durch die Nationalsozialisten geraubte Vermögen zurückgegeben werden sollte. SPÖ und KPÖ schlugen einen »Restitutionsfonds« vor: nur hilfsbedürftige Opfer des Nationalsozialismus hätten Zahlungen erhalten sollen, die ursprünglichen Eigentümer hätten demnach nichts mehr zurückbekommen sollen. Diese Vorschläge stießen nicht zuletzt auch auf den Widerstand der Westalliierten. Daher entschied man sich im Frühjahr 1946 zur Rückstellung entzogener Vermögen an die geschädigten Eigentümer. Da aber Österreich unter Berufung auf die Moskauer Deklaration jede Mitverantwortung an den NS-Verbrechen von sich wies, blieb die Rückstellung auf die Rückgabe noch vorhandenen und auffindbaren Eigentums beschränkt. Entschädigungszahlungen darüber hinaus wurden erst nach dem Staatsvertrag, wiederum auf Druck der Westalliierten, geleistet.

Insgesamt wurden zwischen 1946 und 1949 sieben Rückstellungsgesetze beschlossen. Diese wiesen aber in sich keine durchgängige Systematik auf, sodass es für die Betroffenen schwierig war herauszufinden, welches Gesetz für ihren Fall anwendbar und bei welcher Behörde ein Antrag einzubringen war.

1998–2003 wurden im Auftrag der Österreichischen Historikerkommission zur Erforschung des Vermögensentzugs während der NS-Zeit sowie der Rück-stellungen und Entschädigungen seit 1945 Entstehungsgeschichte, Wirkungsweise und auch Probleme der Rückstellungsgesetze eingehend analysiert. Die Ergebnisse liegen in gedruckter Form vor.

Erstes Rückstellungsgesetz
(BG vom 26. Juli 1946 über die Rückstellung entzogener Vermögen, die sich in Verwaltung des Bundes oder der Bundesländer befinden; BGBl 1946/156)

Gegenstand: Vermögen, das durch staatliches Handeln (z. B. Verordnungen) den Besitzern entzogen worden war und nun von einer staatlichen Stelle, z. B. einer Finanzlandesdirektion, verwaltet wurde.

Vollziehende Behörde: die Finanzlandesdirektion, in deren Einzugsgebiet das entzogene Vermögen sich befand, die meisten Fälle hatte die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland zu bearbeiten.

Bedeutung: Bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland wurden zwischen 1946 und 1956 rund 10.700 Anträge eingebracht, davon endeten rund 77 % nach allerdings meist lang dauernden Verfahren positiv für die Antragsteller, wie Peter Böhmer im Auftrag der Historikerkommission feststellte.


Zweites Rückstellungsgesetz
(BG vom 6. Februar 1947 über die Rückstellung entzogener Vermögen, die sich im Eigentum der Republik Österreich befinden; BGBl 1947/53)

Gegenstand: entzogene Vermögen, die aufgrund des Nationalsozialisten- und des Kriegsverbrechergesetzes ins Eigentum der Republik Österreich übergegangen waren, also jenes Eigentum, das Nationalsozialisten zuvor von NS-Opfern an sich gebracht hatten und das nun aufgrund der Entnazifizierungsbestimmungen an den österreichischen Staat gefallen war.

Vollziehende Behörde: die Finanzlandesdirektion, in deren Einzugsgebiet das entzogene Vermögen sich befand, die meisten Fälle hatte die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland zu bearbeiten.

Bedeutung: Die Zahl der Anträge lag weiter unter jener nach dem Ersten Rückstellungsgesetz. Bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland belief sie sich insgesamt auf 900, das waren 53 % aller nach dem Zweiten Rückstellungsgesetz gestellten Anträge (wiederum nach Peter Böhmers Forschungen im Auftrag der Historikerkommission). NS-Organisationen hatte es in ganz Österreich gegeben, daher fehlte hier die Konzentration auf den Wiener Raum.


Drittes Rückstellungsgesetz
(BG vom 6. Februar 1947 über die Nichtigkeit von Vermögensentziehungen; BGBl 1947/54)

Gegenstand: Entzogene Vermögen, die sich in der Hand von Einzelpersonen, Firmen oder Institutionen befanden.

Vollziehende Behörde: Bei den Landesgerichten für Zivilrechtssachen eingerichtete Rückstellungskommissionen, die aus dem Vorsitzenden und dessen Stellvertretern, die alle Richter sein mussten, sowie aus Beisitzern bestand, die Laien waren. Zweite Instanz waren die bei den Oberlandesgerichten eingerichteten Rückstellungsoberkommissionen, dritte Instanz war die Oberste Rückstellungskommission beim Obersten Gerichtshof.

Bedeutung: Das Dritte war das wichtigste aller Rückstellungsgesetze, betraf es doch die größte Zahl entzogener Vermögen. Dementsprechend heftig wurde es politisch von Wirtschaftskreisen und dem Verband der Unabhängigen, einem Sammelbecken unter anderem ehemaliger Nationalsozialisten, publizistisch und parlamentarisch bekämpft. Alle Versuche, das Gesetz zum Nachteil der geschädigten Eigentümer zu ändern, scheiterten am Widerstand der Westalliierten. Zahlenangaben sind keine verfügbar, da ein großer Teil der Akten der Rückstellungskommissionen 1986 – vermutlich aus Unwissenheit – vernichtet wurde. Auf Ersuchen des DÖW wurde diese Aktenvernichtung 1986 gestoppt, allerdings konnte damit nur mehr ein kleiner Teil der Akten gerettet werden.


Viertes Rückstellungsgesetz
(BG vom 21. Mai 1947, betreffend die unter nationalsozialistischem Zwang geänderten oder gelöschten Firmennamen; BGBl 1947/143)

Gegenstand: Eine Firma bedeutet im juristischen Sinne den Namen, unter dem ein Unternehmen betrieben wird. Eine erzwungene Änderung dieses Namens kann wirtschaftlich für das Unternehmen weit reichende Folgen haben. Das Gesetz ermöglichte nach 1945 wieder die Übernahme des ursprünglichen Firmennamens.

Vollziehende Behörde: Registergerichte, das sind jene Gerichte, die das Handelsregister führen.

Bedeutung: gering


Fünftes Rückstellungsgesetz
(BG vom 22. Juni 1949, über die Rückstellung entzogenen Vermögens juristischer Personen des Wirtschaftslebens, die ihre Rechtspersönlichkeit unter nationalsozialistischem Zwang verloren haben; BGBl 1949/164)

Gegenstand: Das Gesetz regelte nicht nur die Rückstellungsansprüche juristischer Personen des Wirtschaftslebens, sondern ermöglichte zusätzlich auch deren Wiedererrichtung. Juristische Personen des Wirtschaftslebens sind Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und einige andere.

Vollziehende Behörde: Bei den Landesgerichten für Zivilrechtssachen eingerichtete Rückstellungskommissionen, die aus dem Vorsitzenden und dessen Stellvertretern, die alle Richter sein mussten, sowie aus Beisitzern bestanden, die Laien waren. Zweite Instanz waren die bei den Oberlandesgerichten eingerichteten Rückstellungsoberkommissionen, dritte Instanz war die Oberste Rückstellungskommission beim Obersten Gerichtshof.

Bedeutung: Die Zahl der Verfahren dürfte, wie die Österreichische Historikerkommission feststellte, gering gewesen sein, kann aber aufgrund der fehlenden Akten nicht genau angegeben werden.


Sechstes Rückstellungsgesetz
(BG vom 30. Juni 1949 über die Rückstellung gewerblicher Schutzrechte; BGBl 1949/199)

Gegenstand: Entzogene Marken- und Musterrechte sowie Patentrechte, wobei das Gesetz sowohl entzogene Rechte als auch die Behinderung der Nutzung solcher Rechte erfasste.

Vollziehende Behörde: Bei den Landesgerichten für Zivilrechtssachen eingerichtete Rückstellungskommissionen, die aus dem Vorsitzenden und dessen Stellvertretern, die alle Richter sein mussten, sowie aus Beisitzern bestand, die Laien waren. Zweite Instanz waren die bei den Oberlandesgerichten eingerichteten Rückstellungsoberkommissionen, dritte Instanz war die Oberste Rückstellungskommission beim Obersten Gerichtshof.

Bedeutung: gering, die zeitgenössische Literatur gibt die Zahl der Verfahren bis 1952 mit 25 an.


Siebentes Rückstellungsgesetz
(BG vom 14. Juli 1949 über die Geltendmachung entzogener oder nicht erfüllter Ansprüche aus Dienstverhältnissen in der Privatwirtschaft; BGBl 1949/207)

Gegenstand: im Zuge des verfolgungsbedingten Arbeitsplatzverlustes nicht erfüllte Ansprüche, wie z. B. Abfertigungen, sowie die aus diesem Verlust sich ergebendenden finanziellen Einbußen; die tatsächlichen Schäden wurden durch dieses Gesetz aber nur in sehr eingeschränkter Weise abgegolten.

Vollziehende Behörde: Arbeitsgerichte.
Bedeutung: nicht bekannt, da so gut wie keine Akten zum Vollzug dieses Gesetzes existieren, wie die Österreichische Historikerkommission feststellen musste.


 

 

Rückstellungen entzogener Vermögen