Die Kärntner SlowenInnen
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Geboren 1911 in Radsberg/Radiše, Bäuerin. 15. April 1942 »Aussiedlung« mit Tochter und Familie ihres Mannes in Lager der Volksdeutschen Mittelstelle: Ebenthal/Žrelec – Hagenbüchach – Frauenaurach (ab Mai 1942). Juli 1942 Geburt eines Sohnes. Nach Entlassung aus Frauenaurach nach Oberkärnten. Verstorben.

Dann war es soweit, wir gingen bei der Tür hinaus, und in dem Moment wurde mir bewusst: fort, irgendwohin. Ich habe um das Mädchen gebeten, sie sollten sie mir in den Arm legen dort an der Schwelle, da war eine Schwelle aus Beton, ich kniete mich nieder, hielt das Mädchen, faltete die Hände und bat, mich zu erschießen. Mir wäre alles recht gewesen, ich wäre gerne daheim gestorben. Daheim, daheim. Nein, diese Pflicht hatten sie nicht. Ein Wiener sagte nur, dass sie das nicht machen dürfen, dass sie mich nicht einfach so erschießen dürften. Ich habe gefragt, warum nicht. »Das geht nicht.« So viel Deutsch habe ich verstanden. Der Höhere schrie mit mir wie mit einem Arrestanten, obwohl ich noch nie gesehen habe, wie es dort zugeht, aber genauso stelle ich mir das vor, garstig [...]

Der Lagerführer [in Frauenaurach] war ein furchtbarer Mann, niemand durfte ihm widersprechen, und einmal schrie er nur mehr: »Auschwitz«, und wir wären nur mehr fürs Schlachten gut wie die Schweine. Das war wegen der Sprache, auch die alten Leute sollten Deutsch reden. Mein Mann war gerade auf Urlaub, und er durfte dabei sein. Er hat eine Zeit zugehört und dann ist er aufgestanden und hat dem Lagerführer gesagt, wie er sich das vorstellt. 60, 70, 80 Jahre alten Menschen heute zu sagen, ab morgen darfst du nur mehr Deutsch reden.

Der Lagerführer beschimpfte uns, unserer Tante hat damals die Hand so gezittert wie mir heute, er hatte ihr so auf die Hand geschlagen, dass sie ihr hinuntergefallen ist. »Heil Hitler« in der Früh anstatt des Gebetes, und der Lagerführer passte schön auf, wer die Hand nicht heben konnte, deswegen bekam unsere Tante als Erstes einen Schlag auf die Hände. Wenn jemand etwas ein bisschen falsch machte, dann rief der Lagerführer 300 Leute in den Speisesaal, sofort, und wenn das ein Kind war, dann wurde es am Nacken gepackt und verprügelt. Unsere Marjanca wurde auch einmal verprügelt, mit zwei Mädchen, die immer mit unserer zusammen waren. Er schleppte sie in dieses Zimmer, das fürs Prügeln vorgesehen war. Sie waren überall blau, ganz blau, unsere hatte Schaum vor dem Mund. Was war geschehen? Es war Mai, die Mädchen gingen Blumen pflücken für die Mütter, für den Muttertag, sie haben schon gewusst, was das ist – Muttertag. Jede hat einen Löwenzahn gepflückt, meine für mich, die anderen für ihre Mütter. Als Erstes hat er ihnen die Blumen weggenommen, sie ihnen ins Gesicht geschmiert, dann hat er sie hereingeschleppt und sie verprügelt, unsere war ganz blau, aufgeplatzt, und dann hat er sie in die Baracke geschleppt und vor mich hingeschmissen. Mich hat fast der Schlag getroffen. Wir weinten alle, die Kinder mit uns, alle weinten wir. Ein Kind ist ja unschuldig, das war furchtbar, wegen zwei Blumen. Das war der Sani, der war fürs Strafen da. Eigentlich war er Sanitäter, deswegen haben wir ihn Sani genannt.

Quelle: Spurensuche. Erzählte Geschichte der Kärntner Slowenen. 1990, Wien, Österreichischer Bundesverlag.


 

 

Marija Tolmajer: Ich wäre gerne daheim gestorben