Homosexuelle
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§ 129lb
Verfolgungsgründe
Polizeiliche Verfolgung
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Josef K. war gebürtiger Wiener, ausgebildeter Friseur und arbeitete als Angestellter der Post. Im Jahr 1938 wurde er aufgrund der Angaben einer anderen Person verhaftet. Die Gestapo bezeichnete ihn entgegen der Wahrheit als Prostituierten (»Strichjungen«). In einem Interview, das Prof. Christian Fleck von der Universität Graz mit Josef K. führte, erzählte er von seiner Verhaftung und der darauf folgenden Haft in der Roßauerkaserne und im Gestapo-Hauptquartier am Morzinplatz.

Josef K. war relativ gefasst, als die Gestapo ihn bei seinen Eltern abholte. Er rechnete nicht damit, so bald nach Hause zurückkehren zu können. Von den Polizisten wurde er in der Folge gedemütigt und beschimpft. Begriffe wie »schwules Schwein« und »warme Sau« standen dort an der Tagesordnung. Er berichtet auch, dass seine Ausbildung als Friseur ihm hilfreich war, da man ihn während der Haft als solchen einsetzte und er dadurch nicht in den verdunkelten Zellen im Keller eingesperrt wurde. Letztlich wurde Josef K. von der Polizei so weit gebracht, ein Geständnis zu unterschreiben. Das Geständnis hatte nicht unbedingt viel mit der Realität zu tun. Josef K. war homosexuell, aber der Fall wurde natürlich so konstruiert, dass er den Verfolgungsbehörden am besten dienlich war.

Gleich bei der Auslieferung von Josef K. an das Wiener Landesgericht stellte die Gestapo einen so genannten »Rücküberstellungsantrag«. Josef K. wurde lediglich für die Dauer seiner Verhandlung und die mögliche, auf eine Verurteilung folgende Strafhaft der Justiz überlassen. Nach Abschluss dieser Zeit wollte sich die Gestapo den Zugriff auf ihn wieder sichern.

Josef K. wurde im September 1939 durch das Wiener Landesgericht zu sieben Monaten Haft verurteilt. Am 13. November 1939 hatte Josef K. seine Haftstrafe verbüßt und wurde an die Gestapo rücküberstellt. In der Folge wurde er in die Konzentrationslager Sachsenhausen und Flossenbürg überstellt. Josef K. hatte das Glück, andere Häftlinge zu finden, die ihm halfen. In Flossenbürg konnte er sein Überleben dadurch sichern, dass er zum Kapo wurde. Josef K. überlebte die Verfolgung durch die Nationalsozialisten sicherlich nicht zuletzt deshalb, weil seine Familie zu ihm hielt. Ein Brief seiner Mutter an den Präsidenten des Wiener Landesgerichtes ist in Josef K.s Gerichtsakt erhalten. Sie schrieb nicht nur an ihn. In späterer Zeit wandte sie sich auch an andere Stellen, schrieb Briefe und sandte Pakete an ihren Sohn, als er in das Konzentrationslager Flossenbürg verschleppt worden war.

1945 wurde Josef K. von amerikanischen Truppen befreit. 1948 wurde seine Vorstrafe wegen Homosexualität getilgt. Seine Versuche, als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt zu werden, die sich von den späten 1940er Jahren bis zu seinem Tod in den 1990er Jahren zogen, blieben erfolglos. Ebenso erfolglos blieb sein Ansuchen, die Jahre im Konzentrationslager als Pensionsjahre anerkannt zu bekommen.

Josef K.s Leben nach 1945 klingt trotzdem erfüllt. Er fand zirka 1946 einen Lebenspartner, mit dem er den Rest seines Lebens zusammenblieb. Seine Familie hielt auch weiterhin zu ihm. 1971 wurde die Geschichte seiner Verfolgung unter Pseudonym veröffentlicht.

Josef K. berichtet über die Verfolgung im Konzentrationslager

Trotz der vielen Ausfälle durch Tod und Selbstverstümmelung in der Tongrube wurde die Anzahl der Häftlinge in unserem Block immer größer. Fast jede Woche kamen neue Transporte in unserem Lager an, und jedesmal waren auch eine Menge Schwule darunter, die ja nur in unserem Block untergebracht werden durften. Auffallend war, daß die Neuzugänge in unserem Block in der Mehrheit Österreicher und Sudetendeutsche waren. Wahrscheinlich waren in diesen neuen »deutschen Gauen« Aktionen im Gange, die auch diese neudeutschen Länder von uns »Entarteten« befreien sollten.
[...]
Unter den mehr als hundert Sachsenhausener Häftlingen, die nach Flossenbürg überstellt wurden, waren nur fünf mit dem rosa Winkel: ein tschechischer Sänger aus Prag, 35 Jahre, ein Grazer Beamter, 42 Jahre, ein 24-jähriger Salzburger, der angeblich ein höherer HJ-Führer gewesen sein sollte, und ich und noch ein Wiener, beide im Alter von 22 Jahren. Wir wurden wieder, wie in Sachsenhausen, in einem »schwulen Block« einquartiert [...]. Diese [die Stube im Block] war mit über 200 Mann besetzt und auch hier brannte, so wie in Sachsenhausen, die ganze Nacht das Licht [...]. Ebenso wie dort, mußten auch hier die Hände während des Schlafens auf der Decke liegen. Wahrscheinlich war das eine Anordnung, die für alle KZ mit schwulen Blocks Gültigkeit hatte.

(Aus: Heinz Heger, Die Männer mit dem rosa Winkel. Der Bericht eines Homosexuellen über seine KZ-Haft von 1939–1945, Hamburg 1972, S. 46 f. und 56.)


 

Download:  Schlussbericht der Gestapo Wien, 9. Mai 1939.

 
Bericht der Gestapo Wien
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Bericht der Gestapo Wien über die Verhaftung von Josef K., 9. Mai 1939.

Rücküberstellungsantrag Gestapo Wien
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Rücküberstellungsantrag der Gestapo Wien, 10. Mai 1939.

Anfrage des Arbeitgebers Urteil (Auszug)
Bericht über Strafvollzug

Fallbeispiel: Josef K.