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Vom 20. November 1945 bis zum 1. Oktober 1946 tagte im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Nürnberg das Internationale Militärtribunal (»International Military Tribunal«, IMT). Es beruhte auf Beschlüssen der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion und Großbritanniens auf den Konferenzen in Moskau (1943), Teheran (1943), Jalta (1945) und Potsdam (1945).

Der amerikanische Bundesrichter Robert H. Jackson, US-Hauptankläger während des Prozesses, war im Auftrag des amerikanischen Präsidenten Harry Truman mit der Organisation des Verfahrens betraut. Jede der vier Großmächte (in der Zwischenzeit war auch Frankreich dazugekommen) stellte einen Richter und einen - nicht stimmberechtigten - Stellvertreter. Auch die Anklagebehörde war mit Angehörigen der vier Mächte besetzt.

Am 18. Oktober 1945 fand die Eröffnungssitzung des IMT im Kammergerichtsgebäude in Berlin (als Sitz des Alliierten Kontrollrates) statt. Erstmals in der Geschichte standen Politiker und Militärs sowie führende Personen aus der Wirtschaft persönlich für das Planen und Führen eines Angriffskrieges und für den Massenmord an Menschen in Konzentrations- und Vernichtungslagern vor der Anklagebank.

Die vier Anklagepunkte des IMT waren:
1. Verschwörung gegen den Weltfrieden
2. Planung, Entfesselung und Durchführung eines Angriffskrieges
3. Verbrechen und Verstöße gegen das Kriegsrecht
4. Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Vom 20. November 1945 bis zum 31. August 1946 wurde das Verfahren in Nürnberg weitergeführt. Insgesamt kamen an 218 Verhandlungstagen 360 Zeugen teils mündlich, teils schriftlich, teils vor dem Gerichtshof selbst, teils von beauftragten Richtern vernommen, zu Wort. Die Verfahrensordnung war vom angloamerikanischen Recht geprägt.

Da sich Hitler, Himmler und Göbbels durch Selbstmord der Verantwortung entzogen hatten, war der ranghöchste Angeklagte Hermann Göring. Ein Angeklagter (Hitlers Sekretär Bormann) konnte flüchten, ein weiterer Angeklagter (Ley, Chef der Deutschen Arbeitsfront) beging vor Beginn des Prozesses Selbstmord. Von den verbleibenden 22 Angeklagten wurden 11 Angeklagte zum Tode verurteilt.

Außer führenden Nationalsozialisten waren auch sechs Organisationen angeklagt. Von diesen wurden das Korps der politischen Leiter der NSDAP, die SS, die Gestapo und der Sicherheitsdienst (SD) für verbrecherisch erklärt.

Entgegen der ursprünglichen Planung unterblieben in Nürnberg weitere internationale Verfahren, weil sich die vier Alliierten angesichts des beginnenden Kalten Krieges darüber nicht mehr einigen konnten. Allerdings fanden in Nürnberg von 1947 bis 1949 zwölf US-Militärprozesse gegen Politiker, Militärs, Führungspersonen aus der Wirtschaft, Mediziner, Juristen, Mitglieder des Auswärtigen Amtes usw. statt. Ähnliche Verfahren wurden in der französischen, britischen und sowjetischen Besatzungszone durchgeführt.

Rechtshistorisch gesehen sind die Kriegsverbrecherprozesse Vorläufer des 2003 eingerichteten Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) in Den Haag. Die Verhandlungsberichte (Protokolle) des Internationalen Militärtribunals wurden 1947/49 in den 52 Bänden der so genannten »Blauen Reihe« veröffentlicht. Allein das Hauptverhandlungsprotokoll (die ersten 22 Bände) umfasst 14.638 Seiten.


 

 

Der Hauptkriegsverbrecherprozess in Nürnberg (1945/46)