Entnazifizierung
Einführung
Entnazifizierung in Österreich
Alliierte Prozesse
Prozesse im Ausland
Volksgerichtsprozesse
# Geschworenenprozesse
Forschungsstelle Nachkriegsjustiz
home
Up
Down

Vorgeschichte

Im Gefolge des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses (Dezember 1963 bis August 1965) wurden auch in Österreich Ermittlungen gegen über 55 Verdächtige wegen Verbrechen im KZ Auschwitz eingeleitet. Wie beim großen Frankfurter Prozess hat auch hierzulande der Wiener Journalist und Vorsitzende des Internationalen Auschwitz-Komittees, Hermann Langbein, eine wesentliche Rolle gespielt. Seine erste Anzeige erstattete er u. a. gegen 2 Ärzte, die verdächtigt wurden, als SS Ärzte im KZ Auschwitz an Selektionen teilgenommen zu haben sowie durch »Abspritzungen« (Ermordungen von Häftlingen mittels Injektionen) Häftlinge getötet zu haben.

Die Ermittlungen der österreichischen Justiz gingen aber nur sehr schleppend voran. Immerhin dauerte es 11 Jahre, bis 4 Verdächtige vor Gericht gestellt wurden. Die Verfahren gegen alle anderen Verdächtigen wurden abgebrochen. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits zahlreiche Zeugen verstorben, die zeitliche Distanz (30 Jahre!) zu den Geschehnissen in Auschwitz bereitete den Zeugen bei der Schilderung der Erlebnisse in den Prozessen große Schwierigkeiten.

Prozess gegen Walter Dejaco und Fritz Ertl (18. 1. – 10. 3. 1972)

Walter Dejaco und Fritz Ertl – von den Medien »Baumeister des Massenmordes« bezeichnet – wurden angeklagt, durch die Errichtung und laufende Instandhaltung der Gaskammern und Krematorien in Auschwitz-Birkenau in den Jahren 1941–1944 an der Mordplanung unmittelbar mitgewirkt und dadurch eine nicht bekannte Anzahl an Menschen ermordet zu haben. Dejaco wurden darüber hinaus auch Einzeltaten angelastet, nämlich insgesamt 12 Häftlinge durch Schüsse und Schläge in den Jahren 1940 bis 1942 ermordet zu haben. Fritz Ertl war bis Ende 1942 in Auschwitz tätig und meldete sich dann freiwillig an die Front. Walter Dejaco blieb bis zum Ende der Vernichtungsaktionen in Auschwitz tätig und war für die Wartung und Instandhaltung der völlig überlasteten Vernichtungsanlagen zuständig.

Beide wurden im März 1972 freigesprochen. Wenngleich Beweismaterialien aus der NS-Zeit dem Gericht vorlagen, zeigte sich im Prozess aber auch das Problem, dass viele Zeugen aufgrund des langen Zeitabstandes keine genauen Angaben mehr machen konnten.

Prozess gegen Otto Graf und Franz Wunsch (Hauptverhandlung von 25. 4. – 27. 6. 1972)

6 Wochen nach dem Freispruch von Dejaco und Ertl fand der 2. Auschwitz-Prozess statt. Otto Graf und Franz Wunsch gehörten der Stabskompanie der SS-Standortverwaltung an und wurden als Aufseher und Kommandoführer im so genannten Kommando »Kanada« im Effektenlager eingesetzt. »Kanada« war ein Lagerabschnitt in Birkenau in der Nähe der Gaskammern und Krematorien, in dem die Kleider und Wertsachen der nach Auschwitz deportierten und in den Gaskammern ermordeten Opfer gelagert und sortiert wurden.

Wunsch und Graf wurden angeklagt, Häftlinge erschossen und erschlagen zu haben sowie bei Ermordungsaktionen von Angehörigen der Sonderkommandos mitgewirkt zu haben. Die so genannten Sonderkommandos waren Gruppen von jüdischen Häftlingen, die gezwungen wurden, die fürchterlichsten Arbeiten zu erledigen: Menschen, die vergast werden sollten, wurden von einem Sonderkommando in der Entkleidungshalle des Krematoriumsgebäudes empfangen und zum Entkleiden gezwungen. Nach der Tötung in den Gaskammern musste das Sonderkommando die Leichen aus der Gaskammer holen, in den Verbrennungsöfen verbrennen und schließlich ihre Asche in den Fluss streuen. Die Angehörigen der Sonderkommandos wurden von der Lager-SS in regelmäßigen Abständen ermordet.

Des Weiteren wurden Wunsch und Graf beschuldigt, an »Selektionen« mitgewirkt zu haben. Otto Graf, von Zeugen auch »Gaskassier« genannt, wurde von mehreren Zeugen dabei gesehen, als er das Gift Zyklon B in die Gaskammern warf. Beide wurden von Zeugen schwer belastet – die Verteidigung befragte Zeugen aber beispielsweise nach dem genauen Wetter während der geschilderten Tat (30 Jahre später!!), um diese als unglaubwürdig darzustellen. Am 27. Juni 1972 wurden Graf und Wunsch schließlich in allen Punkten freigesprochen.


 

 
Baupläne der Gaskammern in Auschwitz
» größere Ansicht


Baupläne der Gaskammern in Auschwitz.

Baupläne der Krematorien in Auschwitz
» größere Ansicht


Baupläne der Krematorien in Auschwitz.

Auschwitz, Kommando »Kanada«
» größere Ansicht


Beweismaterial aus dem Prozess gegen Otto Graf und Franz Wunsch: Kommando »Kanada«.


Österreichische Auschwitzprozesse