Im besetzten Nachkriegsdeutschland wurden die NS-Hauptkriegsverbrecher von den Alliierten vor ein Internationales Militärtribunal in Nürnberg gestellt. Einige der wichtigsten NS-Medizinverbrecher, darunter den wegen der Dachauer Meerwasserversuche angeklagten Österreicher Prof. Wilhelm Beiglböck, zogen die USA im »Nürnberger Ärzteprozess« zur Verantwortung. In einer – freilich nur kurz währenden – antifaschistischen Periode 1945/46 kam es auch in Österreich zu einer konsequenten strafrechtlichen Verfolgung von NS-TäterInnen, darunter einigen Verantwortlichen der NS-Euthanasie. So wurde etwa der Leiter der Kinderklinik am Spiegelgrund Dr. Ernst Illing 1946 vom Volksgericht Wien zum Tode verurteilt und hingerichtet; sein Vorgänger Dr. Erwin Jekelius kam in sowjetischer Haft um. Auch Franz Niedermoser, der Hauptverantwortliche für den Massenmord in der Anstalt Klagenfurt, entging der Todesstrafe nicht. Im Zuge des Kalten Krieges und der gesellschaftlich-politischen Reintegration der ehemaligen NationalsozialistInnen wurde die Strafverfolgung auch der NS-MedizintäterInnen immer mehr abgeschwächt, um schließlich vollends zum Erliegen zu kommen. Nicht nur Prof. Dr. Hans Bertha, einer der Hauptverantwortlichen der NS-Euthanasie in Österreich (»T4«-Gutachter und Steinhof-Anstaltsleiter 1944/45), sondern auch der Kindereuthanasiearzt Dr. Heinrich Gross entgingen der gerichtlichen Verurteilung. Während Bertha, Gross und andere belastete Ärzte ihre berufliche Laufbahn fortsetzen konnten, wurde den Opfern der NS-Medizin im Unterschied zu den politisch oder rassistisch Verfolgten jegliche staatliche Anerkennung und Wiedergutmachung vorenthalten. Erst das durch den Generationenwechsel und andere Faktoren (Waldheim-Diskussion) veränderte politisch-gesellschaftliche Klima Anfang der 1990er Jahre, das nicht zuletzt durch die Erklärung von Bundeskanzler Franz Vranitzky von 1991 über die Mittäterschaft der ÖsterreicherInnen zum Ausdruck kam, hatte auch für die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung positive Folgen: 1995 wurde im Nationalrat einstimmig die Einrichtung des »Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus« beschlossen, in dem erstmals auch die Opfer der NS-Rassenhygiene Berück-sichtigung fanden. Nach langwierigen Bemühungen wurden schließlich auch die behinderten bzw. die als »asozial« abqualifizierten Kinder und Jugendlichen in der Opferfürsorge anerkannt.
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